Interview mit Hanspeter Niggli, Geschäftsführer und Gründungsmitglied der Thymos AG
Wenn der Schreiner von einer geölten Oberfläche spricht, wird oftmals «nur» ein nichtschichtbildendes Öl eingesetzt. Wo und wann darf dieses verwendet werden?
Ob ein Produkt zum Einpolieren oder ein leicht filmbildendes Öl zur Anwendung kommt, hängt nicht in erster Linie vom Verwendungszweck ab. Eher ist es eine ästhetische und praktische Entscheidung des Auftraggebers. Mit beiden Systemen können sehr schöne und robuste Oberflächen erreicht werden. Beide Varianten können einfach nachgeölt und unterhalten werden. Filmbildendes Öl muss sicherlich weniger gepflegt werden und kann je nach Holzart eine bessere Beständigkeit erreichen.
Was ist der Unterschied zwischen schichtbildendem und nichtschichtbildendem Ölen?
Schichtbildendes Öl wird ähnlich wie ein Lack in zwei bis drei Schichten dünn aufgetragen und stehen gelassen. Diese Öle sind meist mit einem kleinen Anteil natürlicher Harze verkocht, so dass sie besser und härter austrocknen.
Nicht schichtbildende Öle haben mehr Festkörper und werden nach dem Auftrag auspoliert. Es entsteht nur eine satte Imprägnierung des Holzes. Als Endbehandlung kommen Hartwachse oder eine hauchdünne «Politur» mit demselben Produkt zur Anwendung. Danach ist eine regelmässige Pflege unumgänglich.
Was gilt es ferner zu beachten?
Die Verarbeitung schichtbildender und nicht schichtbildender Öle unterscheidet sich stark. Mit Festkörperölen zum Einpolieren besteht zu keinem Zeitpunkt eine Staubempfindlichkeit. Es kann schnell und rationell zweiseitig verarbeitet werden. Ein filmbildendes Öl verhält sich bei der Verarbeitung hingegen eher wie eine Lasur oder ein Lack. Dafür ist die Wasserbeständigkeit solcher Behandlungen deutlich besser und die Pflegeintervalle wie erwähnt länger. Bei allen Produkten ist zwingend die Selbstentzündlichkeit von getränkten Lappen und Werkzeugen zu beachten!
Was geben Sie als Lieferant und Hersteller den verarbeitenden Malern und vor allem Schreinern mit auf den Weg, um das geeignete Beschichtungssystem auszuwählen?Zentral ist das Gespräch mit dem Kunden: welche Ansprüche hat er an die zu behandelnden Oberflächen, zu welchem Unterhalt ist man bereit und welche optischen und haptischen Eigenschaften sind gefragt. Diese Evaluation ist die Basis für erfolgreiche Ölbehandlungen.
Oftmals sind in Ausschreibungen für Schreiner oder Fensterbauer auch die Beschichtungen integriert, wobei vermehrt die Ölfarbe verlangt wird. Vielen Unternehmern ist dies immer noch ein Dorn im Auge und in der Folge wird der Anforderung dann auch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Warum?
Ölfarben oder Ölbehandlungen weichen für die meisten Verarbeiter von ihren Standards ab. Das macht am Anfang die Offerte und Ausführung komplizierter und aufwändiger. Beim zweiten und dritten Mal geht das schon besser, und bald werden auch diese Produkte für die meisten keine besondere Herausforderung mehr darstellen. Innovation kann eben auch bedeuten, sich auf altbewährte Techniken zurückzubesinnen – einfach mit den Vorzeichen der heutigen Zeit.
Im ersten Teil des Interviews ging es um die Definition, die Besonderheiten und die unterschiedlichen Ausprägungen von Ölfarben. Den Beitrag finden Sie hier >>.
Unser Interviewpartner:
Hanspeter Niggli ist Geschäftsführer und Gründungsmitglied der THYMOS AG, die seit 1987 Grosshandel mit natürlichen Farben, Lacken und Ölen betreibt. Seit einigen Jahren gehören die 1894 gegründeten BEECK’schen Farbwerke in Laichingen (D) zur THYMOS AG.
H. Niggli ist Gastreferent an verschiedenen Fachschulen zum Thema natürliche Farben in der Architektur. Hinzu kommen Beratungsmandate in anderen Unternehmen der ökologischen Baustoffbranche. Seine grosse Leidenschaft gilt dem Erhalt und der Restaurierung von historischer Bausubstanz.
www.thymos.ch